Wertschöpfung und soziale Sicherheit

Denis Strieder, BA

Was bedeutet das digitale Zeitalter für die soziale Sicherheit in Österreich? Österreich hat ein ausgeprägtes Sozialsystem, das ist ein Faktum. Die breite Masse unserer Landsleute ist stolz auf diese Errungenschaft, wir haben ein gut gesponnenes Netz sozialer Sicherheiten, das Menschen vor Armut, Krankheit und Obdachlosigkeit bewahren soll. Dieses Netz muss allerdings auch finanziert werden. Dies passiert hierzulande durch relativ hohe Steuern, insbesondere auf den Faktor Arbeit.

Der digitale Wandel verändert nicht nur die Art und Weise wie wir uns bewegen und kommunizieren, sondern auch die Finanzierung unseres Wohlfahrtstaates.
Der Grund dafür ist simpel: Nehmen wir als Beispiel ein Unternehmen, das Autos produziert. In der Fabrik arbeiten Menschen. Diese zahlen in den Staatshaushalt ein. Ebenso das Unternehmen, das für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls Abgaben leisten muss. Jetzt tauschen wir die Menschen durch Maschinen aus. Die neuen Roboter zahlen keine Steuern, ebenso muss das Unternehmen keine Abgaben (z.B. Lohnnebenkosten) für sie leisten. Diese Steuern und Abgaben fehlen im Staatshaushalt und vergrößern das Loch im Budget. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegebenenfalls nun keinen Job mehr haben und auf Sozialleistungen angewiesen sind, um ihr Leben würdevoll gestalten zu können. Das bedeutet, dass mit weniger Geld mehr Menschen geholfen werden muss – eine einfache Rechnung, die mit der bisherigen Logik nicht zu lösen ist.

Also müssen wir uns etwas Neues überlegen, wenn wir unser Modell eines Wohlfahrtsstaates aufrechterhalten wollen. Das Unternehmen kann durch die genannten Veränderungen seine Produktivität sowie den Gewinn steigern und spart gleichzeitig Geld durch die Einsparung von Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern. Am Ende des Tages steht auf der einen Seite enormer Gewinn für die Unternehmen, auf der anderen Seite ein gewaltiger Verlust für den Staatshaushalt. Diese beiden Entwicklungen können wir durch neue Konzepte ausbalancieren, um den sozialen Frieden in Österreich, Europa und der Welt zu sichern.
Das angeführte Beispiel der Fabrik ist lediglich ein Beispiel der Digitalisierung unserer Arbeitswelt. Expertinnen und Experten gehen insgesamt von einem deutlichen Verlust von Arbeitsplätzen aus, als Beispiel dienen Supermärkte, die künftig ohne Kassenpersonal und Regalbetreuerinnen sowie Regalbetreuer auskommen, in Schweden gibt es bereits eine Filiale, die ohne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auskommt und rund um die Uhr geöffnet ist.
Wir verbuchen als Gesellschaft einen Anstieg der Produktivität und der Effizienzsteigerung um bis zu einem Drittel unserer aktuellen Möglichkeiten. Gleichzeitig kommt es zu einer deutlichen Reduktion der geleisteten Beiträge und
einer Zunahme arbeitsloser Personen und prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Neue „digitale Arbeitgeber“ vergeben darüber hinaus Aufträge über Plattformen an Menschen, die theoretisch überall auf der Welt beheimatet sein können und ebenfalls keine Abgaben in Österreich leisten.
Ein bekanntes Problem sind zudem jene Unternehmen, die unser Steuersystem umgehen, obwohl sie einen wichtigen Beitrag leisten sollten. Das Ziel müsste sein, Unternehmen zu verpflichten, anständige Abgaben in jenen Staaten zu leisten, in denen sie ihren Umsatz generieren. Ein Sozialversicherungssystem, dessen Leistungen und Finanzierung hauptsächlich an das Erwerbseinkommen gekoppelt sind, ist im digitalen Zeitalter nicht mehr auf der Höhe der Zeit.
Unsere Vision sollte demnach sein, das Sozialsystem auf eine neue Grundlage
zu stellen. Eine Wertschöpfungsabgabe oder Maschinensteuer sind Vorschläge, welche die Forderung nach angemessener Beteiligung der Unternehmen erheben. Die Begriffe sind lediglich Etiketten, von entscheidender Bedeutung wird der Inhalt eines neuen Steuerkonzeptes sein, das die Sicherung unseres Sozialsystems gewährleisten soll. Wichtig ist, dass wir weg von einer arbeitsplatzbezogenen Finanzierung kommen, hin zu einer breiten und sicheren Basis.
Wir haben die einzigartige Chance, die Qualität unserer Sozialsysteme zu verbessern und ihre Finanzierung auf eine zukunftstaugliche Basis zu stellen.
Wir dürfen uns im Sinne unserer Verantwortung für die nächsten Generationen diese Chance nicht entgehen lassen.

Denis Strieder, BA

ist Generalsekretär der FCG Jugend, Jugendsekretär des ÖGB und Leiter der Jugendakademie des Dr. Karl Kummer Instituts